Ein Freundin sagte mir unlängst, der Trend „Minimalismus“ sei ja bald out. Das ließ mich aufhorchen. Minimalismus – vom Mehr zum Weniger – ist in meinen Augen längst kein Trend mehr, sondern eine Lebensphilosophie, der sich mehr und mehr Menschen zuwenden. Menschen, die nicht länger Geld für Dinge ausgeben wollen, die sie nicht glücklicher machen, sondern sich nach einiger Zeit eher als Ballast denn Freude erweisen.
Vor vielen, vielen Jahren besuchte ich meinen „kleinen Bruder“ in seiner ersten Wohnung, die er sich nach seinem Studium eingerichtet hatte. Altbau, zwei Zimmer, Essküche und ein kleines Bad. Damals dachte noch kein Mensch an Minimalismus, doch mein Bruder war – aus heutiger Sicht – ein Minimalist. Ich selbst lebte zu dieser Zeit mit meiner Familie in einem kleinen Häuschen, und schon damals hatten wir viel zu viel Zeug. Mein Bruder kocht gerne, und bei unserem ersten Besuch hat er uns natürlich fürstlich bewirtet. Obwohl er gerade das Nötigste an Hausrat, Geschirr und Gläsern besaß, fehlte es an nichts. Ich war fasziniert, wie er mit dem Wenigen ein leckeres Essen kochte und eine gemütliche Atmosphäre schaffte. Da frage ich mich zum ersten Mal, warum wir so viel besitzen, und es immer noch etwas gab, von dem ich glaubte, das ich es haben müsste, weil es mein Leben versprach zu erleichtern oder sogar besser zu machen.
Zeug macht nicht glücklich – kostet Geld und macht Arbeit
Das ganze Zeug, was ich nach Hause trug, hielt in den wenigsten Fällen was es versprach. Im Gegenteil, alles brauchte einen Platz und musste zwangsläufig irgendwie gepflegt werden, mal abgesehen davon, dass es meine Zeit gekostet hatte, um das Geld für den Kauf zu verdienen. Und das Glücksgefühl beim Kauf verflog so schnell, wie es gekommen war. Und dabei dachte ich, wenn ich dies und jenes besitze, dann fühle ich mich zufrieden. Doch es war nie genug, und Zufriedenheit wollte sich nie wirklich und langfristig einstellen – egal was und wieviel ich kaufte.
Ich war nie zufrieden, konnte aber auch nicht aufhören zu kaufen
Die neue Handtasche, der trendige Dekoartikel, die teure Kosmetik …. all das machte mich einfach nicht dauerhaft glücklich. Im Gegenteil, jede Ecke war vollgestellt mit Dekokram (Stehrümchen und Liegrümchen) und Saubermachen wurde zum Hindernislauf oder zur Mammutaktion. Wollte ich das so haben? Nein. Und doch machte ich weiter, immer auf der Suche nach dem nächsten Glücksgefühl.
Das Glücksgefühlslevel hing immer höher
Irgendwann war mir tatsächlich alles zu viel – zu viel Zeug, zu viel Arbeit. Ich fragte mich, was mich glücklich und zufrieden macht. Was mir wirklich wichtig ist. Und begann, mein Glück und meine Zufriedenheit nicht mehr im Außen, sondern in meinem Inneren zu suchen. Ging in die Natur, las wieder mehr, saß immer öfter einfach da und hörte den Vögeln zu, hörte Musik ….. Und es stellte sich kein Glücksgefühl ein. Da wurde mir klar, dass mein Glücksgefühlslevel mittlerweile einen starken Reiz brauchte, um zu reagieren. Es brauchte viel Geduld. Und eines Tages saß ich am Waldrand, schaute gedankenverloren auf ein weites Feld und entdeckte ein Reh. So unspektakulär und doch so glückbringend in diesem Moment. Ich konnte in diesem Moment die Verbundenheit mit der Natur und diesem Tier spüren – für einen kurzen Moment. Und dann breitete sich eine Dankbarkeit und Zufriedenheit in mir aus, die ich so gar nicht kannte. Und von diesem Tag an wurde es leichter.
Das kleine Glück ist täglich zu finden
Ich übte mich weiter, die kleinen und manchmal so unscheinbaren „Dinge“ um mich herum wahrzunehmen, und erzog mich dazu, nur noch das zu kaufen, was ich wirklich brauchte. War der Tag doof, und ich drohte in einen Belohnungskaufrausch zu verfallen, so ging ich raus in den Garten, in den Wald (statt in die Einkaufsmeile), erstmal durchatmen.
Ich begann zu meditieren und lernte dabei, nicht auf jeden Gedanken und jeden Impuls „aufzuspringen“, sondern erstmal zu atmen und zu beobachten. Und dazu reduzierte ich Stück für Stück unseren Hausstand – vom Mehr zum Weniger. Jedes Teil stellte ich auf den Prüfstand: nutze ich es, brauche ich es, oder kann es weg. Es hat lange gedauert. Ja, und es hat sich gelohnt. Heute habe ich 80 % weniger Dinge, als damals.
Von mehr zu weniger half mir, Glück und Zufriedenheit im Alltäglichen zu finden – statt im Kaufen von Dingen
Auch heute – viele Jahre später – schaue ich genau hin, was ich nutze oder schön finde. Ich habe mich einige Zeit im Torten backen versucht und festgestellt, ich habe nicht genug Geduld, irgendwie kein Händchen dafür und die Torten vom Lieblingskonditor schmecken mir einfach viel besser. Also habe ich alles Zubehör aussortiert und an jemand weitergegeben, der super gerne und gut Torten backt. Win win auf beiden Seiten.
Oder die Idee mit dem Socken stricken. Ich liebe selbstgestrickte Socken. Leider ist meine liebe sockenstrickende Schwiegermama verstorben. Also dachte ich, kann ja nicht so schwer sein. Obwohl ich gerne und auch regelmäßig stricke, ging mir das Socken stricken einfach nicht von der Hand. Nach mehreren Versuchen entschied ich, ich lasse es sein. Wolle, Stricknadeln, Buch mit Anleitungen zusammengesucht und weitergegeben.
Und so sorge ich konsequent dafür, dass es beim „Weniger“ bleibt. Schaue genau hin, entscheide und handle.
Wie ist das bei dir? Schreib mir gerne in den Kommentaren.
Geordnete Grüße
Gabriele Valerius
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